Sozialpsychologie: Soziale Kognition

7. Eindrucksbildung

Zentrale Frage:
Wie werden verschiedene Einzelinformationen über eine Person zu einem Gesamteindruck zusammen gesetzt?
→ Je nachdem wie bewusst verfügbar diese Informationen sind, müssen unterschiedliche Messmethoden zur empirischen
Untersuchung genutzt werden

Direkte Maße:

Sie erfordern die bewusste und explizite Beurteilung einer Person.
Beispiele sind:

  • Bewertung (Rating)
  • Freie Beschreibung (Abstract)
  • Zuordnung (Assignment)

Beispiel für Ergebnisse direkter Eindrucksmessung:

Den zentralen Eigenschaften „warm-“ und „kalt(herzig)“ konnte Asch (1946) folgende Beziehung zu peripheren Eigenschaften zuordnen:

Auch die Reihenfolge der Darbietung von Eigenschaften spielt bei der Eindrucksbildung eine Rolle.

Experiment von Asch (1946):

  • Verlauf:
    Alle Pbn erhalten die gleiche Liste mit Eigenschaften, jedoch in verschiedener Anordnung.
  • Ergebnis:
    Primacy-Effekt auch bei der Eindrucksbildung. Der Gesamteindruck einer Person ist
    → signifikant positiver, wenn die positiven Eigenschaften (z.B. intelligent/fleißig) am Anfang der Darbietung stehen.
    → signifikant negativer, wenn die negativen Eigenschaften (z.B. neidisch) am Anfang der Darbietung stehen.

Zentrale Ergebnisse von Aschs Untersuchungen:

Nach Asch ist die Eindrucksbildung von folgenden Faktoren abhängig:

  •  Hierarchienbildung:
    Eigenschaften können zentrale oder auch periphere Bedeutung im Gesamteindruck erhalten.
  •  Zeitliche Strukturierung:
    Die Anfangsinformationen haben ein stärkeres Gewicht und beeinflussen die Bedeutung der nachfolgenden Informationen.
  •  Einbettung in den Kontext:
    Bedeutungsunterschiede einzelner Eigenschaften in Abhängigkeit von   anderen Eigenschaften.

→ Der Mensch bildet sich aus wenigen Eigenschaften einen Gesamteindruck seines Gegenübers. Dem „ersten Eindruck“ kommt dementsprechend eine zentrale Bedeutung in der Eindrucksbildung zu (→ vgl. Gestalttheorie).

Indirekte Maße zur Eindrucksmessung:

Indirekte Maße zur Eindrucksforschung wurden insbesondere in neueren Studien ab den 90er Jahren verwendet.
Diese erfordern keine bewusste und ausdrückliche Beurteilung einer Person. Priming-Effekte und Zugänglichkeit zu Informationen sowie die kontextuelle Bedeutungszuschreibung spielen bei diesen Methoden eine große Rolle.

Vorteile:

  • geringe Verfälschbarkeit der Daten
  • hohe Auswertungsobjektivität im Vergleich zu anderen, älteren indirekten Messverfahren (z.B. Rohrschach-Test)
  • soziale Erwünschtheit kann relativ gemindert werden

Nachteile:

  • Zusammenhang zwischen Operationalisierung und Konstrukt ist nicht immer deutlich: Wird wirklich der Eindruck gemessen?
    (geringe Konstruktvalidität)
  • Auch die Reliabilität der Messverfahren ist relativ gering

Zentrale Ergebnisse:
Personeneigenschaften werden automatisch aus Verhaltensbeschreibungen geschlossen.

Beispiel und Ergebnisse indirekter Messverfahren:

  • Lexikalische Entscheidungsaufgabe:
    Verlauf
    :
    Den Vpn wird auditiv ein Satz (Situationsbeschreibung) dargeboten, z.B.:
    EG: „John tritt seiner Freundin beim Tanzen auf die Zehen *.“
    KG: „Der Fernseher steht in der hinteren Ecke des Zimmers *.“
    Bei * wird den Vpn visuell ein Zielreiz dargeboten, z.B.: „tapsig“.
    Anschließend muss per Tastendruck eine Frage beantwortet werden, z.B.: „Ist der Zielreiz ein Wort?“

AV: Reaktionszeit zwischen Zielreiz und Tastendruck.

Ergebnis:
Reaktionszeit von EG: 1310 ms, von KG: 1430 ms
→ Stimmen Eindruck und Zielreiz überein, gelingt der Zugriff auf bekannte sprachliche Bedeutungsmuster schneller.

  • Wortstamm-Ergänzungsaufgaben (Whitney et al. 1990):
    Verlauf
    :
    Den Vpn wird ein Satz dargeboten, z.B.:
    EG: Satz mit Verhaltensbeschreibung (dispositionale Implikation): „John löst jedes Schachproblem in kurzer Zeit.“
    KG: Neutraler Satz: „Der Apfelbaum trägt in diesem Jahr viele Früchte.“
    Anschließend sollen die Vpn ein Wort ergänzen, z.B.: I N _ _ _ _ _ _ _ _ _

Ergebnis:
Dispositionale Eigenschaften, die mit dem gegebenen Reiz in Zusammenhang gebracht werden (z.B. „intelligent“) werden bei EG deutlich häufiger (im Beispiel 31% der Nennungen) als bei KG (im Beispiel 10%) genannt.

 

Gedächtnismaße zur Eindruckmessung

Experiment zum Inkonsistenzeffekt (Hastie & Kumar 1979):

  • Verlauf:
    Vpn erhalten eine Personenbeschreibung in Form einer Eigenschaftsliste (intelligent, gescheit, schnell, sachkundig, …). Anschließend werden verschiedene Verhaltensweisen der Person geschildert.
    3 mögliche Beziehungen zwischen Eigenschaften und Verhaltensweisen:
    •  kongruent (z.B. „Gewinnt ein Schachturnier.“)
    •  inkongruent (z.B. „Machte dreimal den gleichen Fehler.“)
    •  irrelevant (z.B. „Bestellte einen Cheeseburger zum Essen.“)
  • AV: Abruf der Verhaltensweisen durch freie Reproduktion
  • Ergebnisse:

  • Zentrale Ergebnisse der Untersuchungen mittels Gedächtnismaß:
    • Das Personengedächtnis beeinflusst den Eindruck von einer Person in hohem Maße.
    • Dabei können inkonsistente Personenmerkmale besser erinnert werden als konsistente Informationen (Inkonsistenzeffekt).
    • Je weniger inkonsistente Eigenschaften präsentiert werden, desto besser können diese erinnert werden.
  • Gedächtnislücken werden durch Raten in Richtung der Erwartungskonsistenz gefüllt (stereotyp-basiertes Raten, vgl. Zeugenaussagen).
    Sozialpsychologie: Soziale Kognition
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