6. Stereotype
- Stereotyp, Vorurteil und Diskriminierung:
Alle drei Konstrukte beinhalten Einstellungen gegenüber oder Bewertungen einer oder mehrerer Personen auf der Grundlage der Zugehörigkeit zu einer Fremdgruppe.
- Die drei Konstrukte unterscheiden sich hinsichtlich folgender Komponenten:
- Kognitive Komponente:
Steht bei der Funktionalität der Stereotype im Vordergrund. - Affektive oder emotionale Komponente:
Beim Vorurteil werden insbesondere affektive Erlebensmuster aktiviert. - Verhaltenskomponente:
Verhalten auf der Grundlage von Stereotypen für zu Diskriminierung.
Funktion von Stereotypen:
Stereotype sind generische Wissensstrukturen, die uns helfen:
- neue Informationen zu strukturieren
- neue Informationen zu vereinfachen
- neue Informationen zu interpretieren und über sie hinaus zu gehen
- vergangene Ereignisse zu rekonstruieren
- Erwartungen über die Zukunft zu entwickeln
- unser Selbstwertgefühl aufrecht zu erhalten
→ vgl. abwärts gerichtete soziale Vergleiche
Stereotype beeinflussen die Aufmerksamkeit während Kodierung, Enkodierung, Verarbeitung und Abruf von Informationen.
Stereotype sind oft nicht so „fehlerhaft“, sondern stimmen scheinbar häufig mit „tatsächlichen Unterschieden“ überein. Allerdings Kausalität schwer zu bestimmen (→ Selbsterfüllende Prophezeiung!)
Stereotype und Eindrucksbildung:
Police Officers‘ Dilemma (Payne 2001):
- Auslöser:
Bei einer Personenkontrolle 1998 wird ein Schwarzer mit 41 Schüssen getötet: Trotz „Don‘t Move!“ wollte er seinen Pass aus der Tasche ziehen, was als Ziehen einer Waffe von den Polizisten interpretiert wurde.
→ Frage: Hätten Polizisten bei einem Weißen anders gehandelt?
- Verlauf:
Vpn wird zunächst als Prime ein Foto eines weißen bzw. eines schwarzen Mannes gezeigt (200ms). Nach Unterbrechung durch eine Maske am Bildschirm wird ein Bild einer Pistole oder eines Akkuschraubers gezeigt (200ms). Die Vpn sollen entscheiden, ob es sich bei dem zweiten Bild um eine Waffe oder ein Werkzeug handelt.
→ AV: Korrekte Zuordnung und Dauer zwischen Bild und Entscheidung.
Entstehung von Stereotypen und Vorurteilen:
- Soziale Kategorisierung:
Stereotype fungieren als Hilfsmittel der sozialen Wahrnehmung. Um die komplexen Informationen der Umwelt erfassen zu können, organisieren diese die Umwelt, indem sie einzelne Objekte zu Gruppen zusammenfassen.
- Rechtfertigungstheorie:
Vorurteile können aufgrund entstehen des verschiedenen sozialen oder ökonomischen Status von Menschen und Gruppen entstehen und dienen der ranghöheren Gruppe als Rechtfertigung für ihr Position.
- Ingroup-Bias:
Überbewertung der eigenen bei gleichzeitiger Abwertung der Fremdgruppe.
- Frustration und Aggression:
Durch Angsterleben und Frustration kann Feindseligkeit entstehen, wenn für diese Leidenssituation kein Verantwortlicher zu benennen ist (vgl. Kap. 5.). Dann werden „Sündenböcke“ gesucht, auf die die aggressiven Verhaltens-weisen übertragen werden (displaced aggression o. „scapegoating“), z.B.:
Ausländer die den Deutschen die Arbeitsplätze „wegnehmen“.
- Realistic Group Conflict Theory:
Vorurteile entstehen aus der Konkurrenz von mehreren Gruppen um knappe Ressourcen. Je größer die Knappheit umso mehr Vorurteile entstehen.
- Bedürfnis nach Status und Gruppenzugehörigkeit:
Um das eigene Selbstbild als überlegen wahrzunehmen, sind andere Menschen notwendig, die unterhalb des eigenen Ranges sind.
→ vgl. Bedürfnispyramide nach Maslow
- Illusion der Reaktanz auf Andersartigkeit (vgl. Spotlight-Effekt):
Menschen gehen fälschlicherweise davon aus, dass andere auf ihre empfundene Andersartigkeit reagieren.
→ Experiment von Kleck & Strenta (1980):
Verlauf: Zunächst werden Vpn „verunstaltet“ (mit Schminke übertrieben im Gesicht angemalt). Anschließend wird diese „Verunstaltung“ wieder rückgängig gemacht (Abschminken) und daraufhin sprechen die Vpn mit einer neutralen Person (Konfident). KG wurde nicht „verunstaltet“.
Ergebnis: Die EG beschreibt das Verhalten ihres Gesprächspartner als herablassend, distanziert und angespannt. Anders als die KG, die in ihrer Beschreibung des Gegenübers eher neutral blieb.
- Entstehung von Stereotypen und Vorurteilen durch Verfügbarkeitsheuristiken (à vgl. 3.8):
Extreme können leichter aus dem Gedächtnis abgerufen werden und können daher das Bild einer Gruppe dominieren.
- Korrelationsillusion:
Treten zwei ungewöhnliche Ereignisse gleichzeitig auf, so zieht dies mehr Aufmerksamkeit auf sich, als Situationen mit nur einem oder keinem ungewöhnlichen Ereignis. Zwischen beiden Ereignissen wird ein Zusammenhang vermutet und daraus ein Stereotyp abgeleitet.
- Das „Gerechte-Welt-Phänomen“ (Lerner 1980):
Bezeichnet die Tendenz des Menschen, zu glauben, dass die Welt „gerecht“ ist und jeder bekommt, was ihm zusteht.
Vergleiche auch: Blaming-the-Victim-Phänomen.Sozialpsychologie: Soziale Kognition