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Prof. Dr. Simon Hahnzog – Systemische Beratung: Haltung
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Prof. Dr. Simon Hahnzog – Systemische Beratung:
Haltungen und Grundsätze
der systemischen Beratung
In der Praxis der systemischen Beratung haben sich aus den einzelnen Ansätzen heraus verschiedene Haltungen manifestiert, die als Grundlage für die Arbeit des Beraters angesehen werden können, u.a.:
- Würdigung, Achtung und Respekt gegenüber dem Menschen und seiner systemischen Verwurzelung.
- Die Wirklichkeit ist konstruiert. Wir erfinden die Welt permanent neu. Daher ist es wichtig: Welche Geschichte erzählt der Klient/das Klientensystem über sich?
→Auch die Vergangenheit ändert sich permanent! - Vergangenheits-, Zukunfts- und Gegenwartskonstruktionen bedingen sich gegenseitig. à Stark abhängig von momentanem emotionalem Erleben, Erinnerungen und Assoziationen.
- Ob ein Erlebnis vorteilhaft oder nachteilig erlebt wird, hängt vom jeweiligen raum-zeitlichen Kontext ab.
- Würdigung des Problems oder Symptoms als anerkennenswerten Lösungsversuch für einen inneren oder äußeren Konflikt.
- Die Vorteile der Nicht-Veränderung und die Nachteile der Veränderung müssen geklärt werden.
→ Veränderungen müssen sich lohnen! (→ Was ist der Preis?) - Probleme oder Symptome haben immer Einfluss auf die Beziehungsgestaltung der Systemmitglieder – ob man will oder nicht!
- Verhaltensweisen werden im Kontext und nicht als isolierte Eigenschaften der Person gesehen.
- Um ein problematisches Verhalten zu reproduzieren werden bestimmte Kompetenzen und Ressourcen benötigt. Jemand der die Fähigkeit hat ein Problem zu produzieren, hat auch die Kompetenz es zu lösen!
Grundsätze der systemischen Beratung sind daher:
- „Erwartungsenttäuschung“:
Klientinnen kommen häufig mit bestimmten Erwartungen (z.B. nur über Probleme reden zu wollen)
→ nicht allen Erwartungen kann entsprochen werden, sondern viele müssen ganz gezielt enttäuscht werden. - Der Berater nimmt die Haltung eines neugieren ethnologischen Feldforschers an.
- Die Beraterin verhält sich möglichst neutral gegenüber den Glaubenssätzen, der Veränderungsbereitschaft, der Beziehungen und der Methodenwahl des Klienten (im Sinne einer Allparteilichkeit).
- Der Berater arbeitet ressourcen- und lösungsorientiert.
- Im Beratungsprozess wird nicht auf das lineare Prinzip Ursache-Wirkung (→ Warum?) sondern auf die Interaktion der Beteiligten geachtet: Was machen die Beteiligten gegenseitig, um das Verhalten aufrecht zu halten? (→ Wie?)
- Die Beraterin muss in ihren Interventionen bescheiden und demutsvoll sein – sie macht lediglich Angebote, die einen Unterschied zum Vorhandenen machen. Das System macht damit, was es will.
- Der Berater gibt Impulse und lässt das System arbeiten (Kybernetik 2.O.)
- Eine durch die Beratung initiierte „Verstörung“ des Systems kann zu neuen Wirklichkeitskonstruktionen bei den Klientinnen führen. So kann eine Lösung eintreten, ohne dass die genaue Ursache analysiert wurde.
- Probleme, Symptome und Störungen werden in ihrem Kontext gesehen:
Sie erfüllen eine bestimmte Funktion im System!
Systemische Beratungshaltung