Rhetoriktraining

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Prof. Dr. Simon Hahnzog – Methoden der Gesprächsführung:  Rhetoriktraining

 

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Prof. Dr. Simon Hahnzog – Methoden der Gesprächsführung:

Rhetoriktraining

 

Rhetorik (griech. = Redekunst) beschreibt die Fertigkeit einer Rednerin*, den Inhalt und die Form einer gesprochenen Botschaft so in Einklang zu bringen, dass ein möglichst großes Verständnis bei der Zuhörerin entsteht. Beide Elemente stehen für den Erfolg der Rede in einer wechselseitigen Abhängigkeit: Die beste Form gleicht fehlenden Inhalt einer Rede genauso wenig aus, wie der beste Inhalt in schlechter Form transportiert bei der Rezipientin nicht adäquat ankommen wird.

 

Redearten:

  • Sachvortrag:
    Ziel: Der Zuhörerin Wissen vermitteln – primär anhand kognitiver Elemente, an den Verstand gerichtet.
  • Meinungs- oder Überzeugungsvortrag:
    Ziel: Die Zuhörerin von den angesprochenen Ansichten überzeugen – primär anhand emotionaler Elemente.
  • Gelegenheitsreden:
    Ziel: Von der Zuhörerin wahrgenommen werden – spontane Äußerung.
  • Erzählung:
    Ziel: Der Zuhörerin Inhalte berichten ohne weitergehende Intention.

→ Alle Redearten können in beliebiger Mischform gestaltet werden – weshalb die Rednerin sich im Vorfeld bewusst machen sollte, welches Ziel sie mit ihrer Rede verfolgt.

 

Leitfragen zur Vorbereitung:

  • Wer hat mich zu dieser Rede veranlasst?
  • Welche Erwartungen hat meine Auftraggeberin an meine Rede?
  • Was hat mich veranlasst diese Rede zu halten?
  • Welches Ziel verfolge ich mit meiner Rede?
  • Welche Erwartungen haben meine Zuhörerinnen an meine Rede?
  • Wie viel Zeit steht mir für die Rede zur Verfügung?
  • Welches Vorwissen bringen meine Zuhörerinnen mit?
  • Gibt es die Möglichkeit für eine anschließende Diskussion?
  • Welche Motivation bringt meine Zuhörerinnen dazu, meine Rede anzuhören?
  • Welche räumlichen Gegebenheiten stehen mir zur Verfügung und auf welche Materialien und Hilfsmittel kann ich zurückgreifen?

 

Faustregel für erfolgreiche Reden (Lasswell-Formel – Lasswell, 1948):

Was Sie denken …Was Sie sagen …Was gehört wird …

Was verstanden wird …

Womit Zuhörerinnen einverstanden sind …

Was angewendet wird …

… sagen Sie.… wird gehört vom Publikum.… sollte verstanden werden.

… sollte möglichst Einverständnis hervorrufen.

… werden sie das Gehörte auch eher anwenden.

… wird auch eher beibehalten.

 

Rhetorischer Methodenkoffer:

Die Stimulanz durch methodische Abwechslung erhöht die Verständlichkeit einer Rede. Doch vergessen Sie nicht, dass für eine hohe Verständlichkeit des Sachinhaltes auch eine gewisse Einfachheit, eine klare und nachvollziehbare Gliederung und vor allem eine hinreichende Kürze und Prägnanz berücksichtigen sollten: So ausführlich wie nötig und so kurz wie möglich.

  • Beispiele und Details
    erhöhen die Verständlichkeit, wenn die Zuhörerinnen die Beispiele verstehen. Vorsicht: Beispiele können auch von der eigentlichen Aussage ablenken!
  • Vergleiche
    mit anderen Ansichten zum Thema erhöhen das Verstehen von Zusammenhängen.
  • Bildsprache, Zeichnungen, Bilder    
    „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte.“ – Bildhafte Assoziationen erhöhen die Verknüpfung mit bestehendem Wissen und erleichtern den Abruf der Inhalte aus dem Gedächtnis (→ „visuell-räumlicher-Notizblock“). Bilder können sowohl sprachlich hervorgerufen werden, beispielsweise durch Metaphern, als auch greifbar in Form von Projektionen, Tafelbildern, Filmen, Dias etc. in einen Vortrag eingebunden werden.
  • Narrative Elemente
    Geschichten lockern einen Vortrag auf, bringen persönliche Elemente hinein
    (→ Erhöhung der Kongruenz) und machen ihn zudem spannender.
  • Wiederholungen
    Zentrale Botschaften sollten mehrmals (jedoch nicht zu oft) vermittelt werden – die Behaltensleistung bei den Zuhörerinnen erhöht sich dadurch (→ „mere-exposure-effect“).
  • Betonung und Pausen
    machen die Zuhörerinnen auf zentrale Inhalte Ihrer Rede aufmerksam (→ Erhöhung der Salienz eines Objekts).
  • Zitate
    haben häufig den Vorteil, dass in sehr wenigen Worten sehr viele Inhalte enthalten sind. Zudem untermauern Sie durch die „Zuhilfenahme“ einer „weiteren Person“ Ihre Argumentation.
  • Spannung
    aufzubauen ist eines der zentralen Elemente der Gestaltung einer Rede. Verpulvern Sie daher nicht Ihre besten Argumente zu Beginn Ihres Vortrages, sondern heben Sie sich das Beste zum Schluss auf (→ Recency-Effekt). Zugleich ist eine spannende Eröffnung notwendig, um die Aufmerksamkeit der Zuhörerinnen auf sich zu ziehen und sie bereit zu machen für die folgenden Inhalte (→ Primacy-Effekt). Machen Sie sich allerdings im Vorfeld bewusst, ob Sie das Echo Ihres Paukenschlages auch aushalten können!
  • Strukturklarheit
    Nach der Eröffnung ist es von Vorteil, wenn Sie Ihren Zuhörerinnen kurz Verdeutlichen, was auf sie zukommt. Das beruhigt mögliche bestehende Unsicherheiten, lässt mehr Raum für’s Zuhören und erhöht dadurch die Aufmerksamkeit.
  • Kausalketten
    verdeutlichen den Zusammenhang einzelner Argumente sehr anschaulich:
    „Sind sich Führungskräfte der Ressourcen Ihrer Mitarbeiterinnen nicht bewusst, dann werden sie ihre Mitarbeiterinnen weniger wertschätzend behandelnd. Werden Mitarbeiterinnen nicht wertschätzend behandelt, werden sie weniger Arbeitszufriedenheit empfinden. Haben Mitarbeiterinnen eine geringe Arbeitszufriedenheit, wird das die Produktivität negativ beeinflussen.“ Die Kausalkette ist in diesem Beispiel: Führungskraft → fehlende Ressourcenorientierung → Geringschätzung der Mitarbeiterinnen → niedrige Arbeitszufriedenheit → niedrigere Produktivität
    Seien Sie sich bei solchen Argumentationen ihrer Vereinfachung bewusst – monokausale Zusammenhänge spiegeln selten die gesamte Realität wider!
  • Übertreibungen
    verunsichern und provozieren. Dadurch erhöhen Sie wiederum die Aufmerksamkeit. Zudem wird durch eine Übertreibung der Sachverhalt vereinfacht, wodurch die Zuhörerinnen leichter folgen können.
  • Rhetorische Fragen oder Scheinfragen
    durch eine Frage, wird die Zuhörerin dazu gebracht eigene Einstellungen und Meinungen mit der Ihren zu vergleichen. Durch diesen Abruf eigenen Wissens erhöht sich die Erinnerungsleistung, da die Zuhörerin selbst aktiv wird, auch wenn Sie an einer Antwort gar nicht interessiert sind. Zugleich schaffen Sie eine scheinbare Zustimmung zu Ihrem Thema: „Keine Antwort ist auch eine Antwort.“
  • Vorrednerinnen berücksichtigen
    Sollten Sie eine von mehreren Rednerinnen sein, so gehen Sie, falls es angebracht ist, auf Ihre Vorrednerinnen ein. Dadurch verdeutlichen Sie die Besonderheit Ihrer Position.
  • Sprechsprache ≠ Schreibsprache
    Entwerfen Sie Ihre Rede nicht ausschließlich am Schreibtisch, sondern sprechen Sie diese zuvor einmal laut aus. Beispielsweise ist die Verwendung des Imperfekt in der Schriftsprache eine häufig verwendete Zeitform im Deutschen, in der gesprochenen Sprache Süddeutschlands findet man ihn dafür so gut wie.
  • Nonverbale Elemente
    ein Großteil der Informationen in zwischenmenschlicher Kommunikation findet nonverbal (Gestik, Mimik, Stimmlage, Körperhaltung, Blickkontakt etc.) statt!

 

Redemanuskript:

Eine gute Rede will gut vorbereitet sein. Damit Sie nicht Gefahr laufen, in eine „Lesung“ zu verfallen hier einige Ideen für produktive Redemanuskripte:

  • Leserlich schreiben und farbige Markierungen setzen (z.B. Textmarker).
  • Zitate wörtlich aufschreiben, mit Angabe der zitierten Person.
  • Falls nötig benutzen Sie mehrere Seiten. Dann auf keinen Fall eine deutliche Nummerierung vergessen!
  • Personen, die Sie namentlich Begrüßen sollten Sie auf einem gesonderten Blatt notieren.

 

Literatur:

  • Jentzsch, Klaus: Rhetorik. Dietz, Bonn 1998.
  • Kolmer, Lothar / Rob-Santer, Carmen: Studienbuch Rhetorik. UTB, Stuttgart 2002.
  • Schulz von Thun, Friedemann: Miteinander Reden I. rororo, Hamburg 2004.


* Die Inhalte des Skripts beziehen sich in gleichem Maße auf Männer und Frauen. Der einfacheren Lesbarkeit halber verwende ich in diesem Skript jedoch ausschließlich die weibliche Form.

 

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